Dienstag, 22. Juni 2010

TTTT - Tag 12


Liebes Tagebuch,

heute begann ein neuer Abschnitt der WM. Die letzten Spieltage der Vorrunde begannen und somit gibt es jetzt sogar vier Spiele am Tag - jedoch immer zwei gleichzeitig, was meine fußballfreie Zeit des Tages drastisch erweitert. Und anders, als der ein oder andere hier vielleicht vermutet, begrüße ich das tatsächlich. Denn die rund 10 Stunden Fußballbeschäftigung der letzten 1,5 Wochen machen zwar Spaß, lassen sich aber auch nicht ewig durchhalten. Man hat ja tatsächlich noch andere Verpflichtungen und Interessen.
Nach einem kurzen Intermezzo am Mittag mit der deutschen Pressekonferenz und einem DFB-Pressesprecher Harald Stenger, der in aller übelstem Englisch (Matthäus-Style) die internationale Journalie begrüßte, begann das Spektakel am Nachmittag. Frankreich - Südafrika und Mexiko - Uruguay. Die Lage war eindeutig. Mexiko und Uruguay brauchten einen Punkt, Frankreich und Südafrika hohe Siege bzw. Niederlagen der Konkurrenz. Auf dem Papier nicht die spannendsten Voraussetzungen, doch da Uruguay sich nicht an die Regeln hielt und irgendwann gegen Mexiko führte, wurde es im anderen Spiel spannend. Raymond Domenech wirbelte die französische Elf gehörig durcheinander, u.a. mit Kapitän Evra 90 Minuten auf der Bank. Es half alles nichts, denn bei diesem Team sind Hopfen und Malz verloren. Bei Südafrika spielte Ersatztorwart Josephs, der die Original Will Smith - Prince von Bel-Air auftrug. Ich bin mir sicher, die 90er kommen im Südafrikanischen Friseurgeschäft gerade zurück. Südafrika ging dann auch 1:0 in Führung, nachdem der ach so hochgelobte Lloris (liebe Kommentatoren, immer noch mit "J" gesprochen!) unter einer Ecke hersprang. Natürlich mussten auch die Schiedsrichter wieder eingreifen mit der nun wirklich xten unberechtigten Roten Karte, diesmal für Yoan Gourcuff für ein ungeschickt, aber nicht überhart geführtes Kopfballduell mit Ellbogeneinsatz. Es ist wirklich langsam nicht mehr zu glauben, was die Schiedsrichter treiben. In Unterzahl musste Frankreich das 0:2 hinnehmen, Südafrika war kurz vor der Sensation, doch die Franzosen erzielten durch Malouda nach guter Ribery-Vorarbeit ihr einziges (!) Turniertor zum 1:2 Endstand, so dass Mexiko und Uruguay ins Achtelfinale gekommen sind. Frankreich fährt als hochverdienter Tabellenletzter nach Hause, bei Südafrika war die Qualität nicht hoch genug - vielleicht tröten jetzt ja ein paar Uwuseelers weniger. Ein frommer Wunsch!

Ein kurzer Einschub noch zur Mannschaft der Demokratischen Volksrepublik Korea. Nach dem gestrigen 0:7 gegen die Schönspieler aus Portugal fragte sich die BILD besorgt: "Muss Nordkorea zur Strafe ins Bergwerk?" Moon Ki-Nam, ein ehemaliger nordkoreanischer Trainer (2004 geflüchtet), sagt der Agentur AP: „Spieler und Trainer werden mit großen Wohnungen ausgezeichnet wenn sie gewinnen. Aber sie müssen büßen und werden in Kohlebergwerke zum Arbeiten geschickt, wenn sie verlieren.“ Autsch! Und auch die Aussage des aktuellen Trainers klingt nicht 100%ig optimistisch: „Wir haben unser Ziel verfehlt. Dafür entschuldige ich mich bei unserem Volk. Ich glaube nicht, dass wir bestraft werden.“ Tja, dann! Glück auf, Kumpels!

Mit dem südlichen Teil Koreas kann ich mich schon wesentlich besser identifizieren. Aus diesem Grunde begab ich mich nach dem ersten Spieledoppelpack zur Rheinuferpromenade unter die Kasematten, wo ein Kollege, der LG-intern wechselt, seinen Ausstand gab. Auf dem Hinweg in der Bahn bin ich fast vom Glauben abgefallen, als es eine Durchsage mit den beiden Ergebnissen der vorherigen Spiele gab. Ist das einem von Euch auch schon passiert? Vor Ort galt es mit den Betreibern zu klären, ob denn auch die Möglichkeit bestünde Nigeria - Korea zu zeigen, statt des ach so interessanten Argentinien - Griechenland (Interessant, weil ja mit Rehhagel ein Deutscher die Griechen trainiert). Nach etwas hin und her war das aber kein Problem, weil sich nach und nach immer mehr Koreaner in Trikots Montur, sogar mit Trommeln einfanden. Da konnten die rund 10 Griechen im wahrsten Sinne des Wortes gegen rund 30 Koreaner einpacken. Die Stimmung war dann auch einzigartig euphorisch, wenn auch nicht gerade fachkompetent. Es wurde getrommelt und teilweise gesungen. Die Kunst des erregten Aufjubelns wurde aber all zu inflationär eingesetzt. Der Deutsche an sich lässt sich ja bei spannenden Szenen, also einer gefährlichen Flanke oder einem Schuss, der knapp vorbeigeht zu einem Raunen oder kurzen "Ohh!" hinreissen. Nun der Koreaner bei EINFACH ALLEM! Die Flagge wird gezeigt: Jubel. Das Spiel beginnt: Jubel. Park Ji-Sun wird in Großaufnahme gezeigt: Jubel. Ein Einwurf für Korea: Jubel. Der Trainer ist zu sehen: Jubel. Abstoss für Korea: Jubel. Park Cho-Young bindet sich die Schuhe: Jubel. Der Schiedsrichter gibt Vorteil: Jubel etc. pp. Und da war wirklich keine Übertreibung dabei. Da kann man sich denken, was bei den Toren los war. Respekt vor so viel Euphorie, aber auch eben wenig Fachkompetenz. Vielleicht handelt es sich hier auch um ein allgemeines Public-Viewing-Problem. Spaß hat es aber allemal gemacht, da die Koreaner es durch ein spannendes 2:2 gegen Nigeria ins Achtelfinale geschafft haben. Argentinien siegte - soweit ich das auf der anderen Leinwand sehen konnte - recht unspektakulär gegen Griechenland mit 2:0. Korea tat sich nach dem überraschenden Rückstand schwer, drehte aber das Spiel, nur um durch einen dämlichen von Kim Nam-Il verursachten Elfmeter den Ausgleich zu kassieren. Chancen auf beiden Seiten (vor allem auch von Nigeria, die mit einem Tor mehr weitergekommen wären) wurden vergeben, doch es blieb beim 2:2. Abschließend beliebe nur noch die Frage, wieso Heiko Westermann als Experte bei diesen Spielen zum Einsatz kam. Aber gut, Sky scheint die ja auszulosen. Korea trifft nun im Achtelfinale auf Uruguay, Argentinien wie 2006 auf Mexiko. Je nachdem könnten die Jungs um Maradona im Anschluß wieder auf Deutschland treffen und da wissen wir ja alle, wie das damals ausgegangen ist. Doch dafür muss es natürlich erst einmal morgen gegen Ghana gut laufen. Doch ich bin zuversichtlich.

Dein Kim Jong Il

6 Kommentare:

  1. Das mit der Ergebnissdurchsage hab ich 2006 erlebt, sogar bei Zwischenergebnissen. Allerdings war das die Deutsche Bahn, die ja auch als Sponsor aktiv war, wodurch das schon wieder etwas weniger spektakulär ist. Aber wahrscheinlich ist ja auch der VRR Sponsor vom DFB oder von der Fifa? Muss ich beim nächsten Spiel mal auf die Werbebanden achten.

    Poschi war sich mal wieder für nichts zu schade: "In Südkorea ist das Wort aufgeben nicht vorgesehen, außer vielleicht beim Paketdienst!"

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  2. Mett Mitkartoffel23. Juni 2010 um 12:05

    An dem Spruch hat er vermutlich den ganzen Abend vorher im Hotelzimmer gesessen.

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  3. Aber den musst du auch erst mal bringen - Respekt. Da ich seit meiner Standortwechselung zum Albertussee so gut wie gar nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin (15 Minuten Auto versus 45 Minuten - manchmal auch mehr - mit diversen Bahnen) kann ich hier leider keinen Erfahrungsschatz zu solcherart Durchsagen einfliessen lassen.

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  4. Wann treffen wir uns heute Abend eigentlich?

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  5. Der Express ...

    Deutschland gegen Ghana: Alles oder Ghanix

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  6. Gut war auch wieder Kahn, beim Vergleich der Trainer und Menschen Rehagel und Maradona: "Der eine ist ja eher ein Filetstück, der andere Hacksteak.!"

    EM2004: Ziwschneergebnis Deutschland - Holland im Flugzeug! (Mallorca)

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